Monatsmagazin

Aktuelle Ausgabe Februar 2023

Liebe Leser*innen,

Das neue Jahr begann mit Böllerschüssen und dem Abbrennen von Feuerwerken jeglicher Art. Für viele Menschen in Deutschland ist dies Tradition. In den meisten anderen Ländern schüttelt man hierüber nur den Kopf, vielfach ist Herumböllern schlicht und einfach verboten.

Nun haben in etlichen Städten Jugendliche mit solchen frei zugänglichen Feuerwerkskörpern Polizist*innen und Rettungskräfte angegriffen und verletzt und damit ein Feuerwerk an Entrüstung und Empörung bei Presse und Politik ausgelöst. Denn während bei ähnlichen Szenen auf Dorffesten und in Fußballstadien vor allem Jugendliche beteiligt sind, die als „eindeutig deutsch“ gelesen werden, wurden bei den „Silvesterkrawallen“ vor allem solche Jugendlichen wahrgenommen, die größtenteils wohl in Deutschland geboren sind und einen deutschen Pass besitzen, deren Eltern und Großeltern aber vorwiegend aus „orientalisch“ gelesenen Ländern stammen.

So sehr wir uns selbstverständlich gegen jede Art von Gewalt gegen Menschen wenden, so sehr verurteilen wir aber auch die fast schon hysterische Meinungsmache gegen „Integrationsverweigerer“ und „kleine Paschas“, die „einfach nicht hierhergehören“. Statt pauschalen Verurteilungen sollte nüchtern und faktenbezogen Ursachen und Hintergründe untersucht werden.

Am häufigsten hört man, Gewalttätigkeit liege eben im „Wesen“, in der „Kultur“ solcher Jugendlichen. Abgesehen davon, dass solche Verallgemeinerungen mit gutem Recht als das bezeichnet werden sollten, was sie sind, nämlich rassistisch, sollte man einfach mal wahrnehmen, dass die allermeisten Jugendlichen, denen eine solche „Kultur“ zugeschrieben werden kann, völlig friedlich und gewaltfrei in unser aller Gesellschaft leben. Und es ist auch nichts Ungewöhnliches, wenn bei „Jugendkrawallen“ die meisten Beteiligten einen sogenannten Migrationshintergrund haben, hat doch in den Großstädten inzwischen eine deutliche Mehrheit der Jugendlichen einen solchen.

Was macht denn „das Wesen“, „die Kultur“ dieser Jugendlichen aus, über die derzeit so oft geredet wird? Wird überhaupt mit ihnen geredet? Prägend mögen gewaltverherrlichende Filme sein oder auch paternalistische, gewalttätige Strukturen im unmittelbaren Umfeld, aber natürlich auch Racial Profiling und viele weitere Diskriminierungserfahrungen und nicht zuletzt eine aussichtslose berufliche Zukunft, um nur einige Faktoren zu nennen. Doch was von alledem ist wirklich „typisch“ für eine „Kultur“, die diesen Jugendlichen zugeschrieben wird – ein Etikett, das sie dann auch nicht mehr so schnell los werden?

Klar, die Ausschreitungen an Silvester müssen intensiv – aber auch fair – untersucht werden, wie jede Art von Gewaltanwendung, ob sie nun von migrantisch gelesenen Jugendlichen ausgeht oder – nur als Beispiel – von der Polizei. Und genauso wie bei Vorwürfen gegenüber Ordnungskräften müssen auch diese Vorfälle vorurteilsfrei und unter Einbeziehung aller Fakten und Faktoren betrachtet werden.

Hoffen wir, dass das noch in seinen Anfängen befindliche neue Jahr weniger gewalt- und vorurteilsfrei verlaufen wird, wie es begonnen hat.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen alle ein gutes und friedliches Neues Jahr.

Ihr Sami Aras
Vorsitzender des Forums der Kulturen Stuttgart e. V.

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