Monatsmagazin
Aktuelle Ausgabe Juni 2023

Liebe Leser*innen,
noch feiern wir unser großes Jubiläum, unser 25-jähriges Bestehen. Es ist dies zu großen Teilen auch ein Feiern der Ehrenamtlichkeit: denn der gesamte mühevolle Aufbau des Forums der Kulturen musste in den ersten
zwei Jahren ausschließlich ehrenamtlich bewältigt werden.
Und die zahlreichen Vereine, deren Dachverband das Forum ist, arbeiten noch heute nahezu komplett ehrenamtlich. Auch das Sommerfestival der Kulturen, dessen Vorbeitung uns gerade voll in Beschlag nimmt, würde es ohne Ehrenamtliche nicht geben. Mehr als 200 Menschen sind bei diesem Festival, das dieses Jahr vom 11. bis 16. Juli auf dem Stuttgarter Marktplatz stattfinden wird, ehrenamtlich im Einsatz: beim Bierzapfen, an den Kassen, beim Auf- und Abbau und bei der Tombola. (Es werden übrigens immer noch Helfer gesucht – also gerne melden!) Und noch einmal seien unsere Vereine erwähnt: Auch deren Essensstände – ein wichtiger Bestandteil des Festivals – werden komplett ehrenamtlich betrieben.
Ohne Ehrenamtliche würde nichts funktionieren in unserer Gesellschaft. Nicht zuletzt im Sozialbereich ist das unentgeltliche einander Helfen eine wichtige Basis unseres Sozialsystems. Ehrenamtlichkeit ist nicht nur eine sinnvolle Beschäftigung für Menschen, die hierfür Raum in ihrem Leben haben. Ehrenamtliches Engagment ist auch gelebte Solidarität – Kernelement einer jeden funktionierenden Gesellschaft.
Doch es ist immer eine Gratwanderung zwischen gelebter Solidarität und Ausbeutung, zwischen freiwilligem sozialem Engagement und dem Missbrauchen von Ehrenamtlichkeit. Statt mehr in unser Gesundheits- und Sozialsystem zu invetieren, statt Kultur mehr zu fördern oder die Bildungsarbeit auszubauen und damit fair bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen, wird auf das Ehrenamt gesetzt. Es gibt genug Beispiele, wie ehrenamtliches Engagement ausgenutzt wird, obwohl eigentlich Geld vorhanden wäre. Auf der anderen Seite lässt sich nicht alles Engagement in Geld aufwiegen. Selbst wenn man alle Reichtümer einer Gesellschaft aufbringen würde, es ließe sich nicht jede ehrenamtlich geleistete Stunde fair bezahlen. Ein gewisses Maß an ehrenamtlichem Engagement ist in jeder Gesellschaft erforderlich.
Doch es ist schwierig, die Grenze zu ziehen zwischen praktischer Solidarität und zwischenmenschlichem Einander-Helfen auf der einen und kalkulierter, berechnender Ausbeutung auf der anderen Seite. Hier muss man stets genau hinschauen. Ein Kritierium hierbei ist sicherlich der soziale Status der jeweiligen Akteure. Ein mit einer guten Rente ausgestatteter ehemaliger Verwaltungsbeamter kann gut und gern auf eine Vergütung für sein Engagement verzichten. Ein Arbeitsloser, der jeden Cent zweimal umdrehen muss, sollte – wann immer dies möglich ist, zumindest eine adäquate Aufwandsentschädigung bekommen, wenn er sich für seine Mitmenschen einsetzt, wenn er sich engagagiert.
Doch wo auch immer die Grenze zwischen Solidarität und Ausbeutung gezogen wird, unsere Sozialsysteme, aber natürlich auch unsere Kulturetats sollten gestärkt werden, damit sich auch sozial Schwächere ein Ehrenamt „leisten“ können. Unser Dank dank gilt all den vielen unermüdlich Engagierten, ohne die weder das Forum noch die Stuttgarter Migrantenvereine funktionieren würden.
Ihr Sami Aras
Vorsitzender des Forums der Kulturen Stuttgart e. V.
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