Monatsmagazin
Aktuelle Ausgabe Juni 2025
Liebe Leser*innen,
Stuttgarts Ruf als preisgekrönte „Integrationshauptstadt“ wurde kürzlich wieder bestätigt: Das städtische Förderprogramm Empowerment von Geflüchteten hat beim Integrationspreis des Landes Baden-Württemberg den ersten Platz in der Kategorie Kommunen und Verwaltungen belegt.
Gratulation an die Kolleginnen und Kollegen von der städtischen Abteilung Integrationspolitik, die seit 2018 dieses wichtige Empowerment-Projekt umsetzen – ein Projekt, bei dem Geflüchtete selbst zu Gestalterinnen und Gestaltern ihres Zusammenlebens werden, in dem sie ihre Belange selbst aktiv in die Hand nehmen.
Dabei ist diese Preisverleihung besonders hoch zu bewerten, denn nach wie vor – und im politischen Diskurs der letzten Zeit erst recht – werden Geflüchtete vor allem als passive und meist hilflose Opfer gesehen, als Empfänger großzügiger Gaben unseres Staates, als Menschen denen geholfen wird, nicht aber als Menschen, die es gilt zu stärken, zu empowern, damit sie ihre Belange selbst in die Hand nehmen können. „Unser Ansatz in Stuttgart ist: Betroffene zu Beteiligten zu machen“ kommentierte die Bürgermeisterin für Soziales, Gesundheit und Integration, Dr. Alexandra Sußmann, die Preisverleihung.
Es ist ein Paradigmenwechsel, denn immer noch beherrscht das Denken vieler Menschen, aber auch viele Förderprogramme und Verordnungen das defizitäre Bild von Migrant*innen, denen „geholfen“ werden muss, die „an die Hand genommen“ werden müssen. Dabei werden die enormen Potenziale gerade auch von Geflüchteten oft gar nicht gesehen, nicht ernst genommen, vor allem aber bekommen ihre Expertise und der damit meist auch verbundene, große energiegeladene Gestaltungswille nur selten die Möglichkeit, sich wirklich zu entfalten. Kontraproduktiv ist hier der Blick von oben herab, es braucht die Augenhöhe, die volle Wertschätzung der Potenziale dieser Menschen, natürlich ohne deren ebenso wichtige Bedarfe aus dem Auge zu verlieren. Nur so ist ein gleichwertiges Miteinander und eine wirkliche Teilhabe möglich.
Doch Empowerment ist bzw. braucht noch mehr, wie ein aktuelles Projekt des Forums der Kulturen zeigt, das Empowermentnetzwerk Baden-Württemberg für Künstler*innen und Kulturakteur*innen (S. 16 und 17). Denn Menschen mit Migrations- oder gar Fluchterfahrung, die sich ihren Weg mühsam erkämpfen mussten, verfügen nicht nur über Kompetenzen und Energien, sie sind auch oft traumatisiert und leiden an – meist schon alltäglichen – Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen, von denen Nicht-Betroffene meist keinerlei Vorstellung haben. Hier Möglichkeiten der Selbstfindung und der Stärkung zu schaffen sind wichtige Teile von Empowerment. Dazu gehören auch Rückzugsräume, Safe(r) Spaces, Räume, in denen man unter sich sein kann, sich nicht ständig erklären muss.
Das kann übrigens auch ein türkisches Männercafe sein – für manche „die Parallelgesellschaft“ schlechthin. Ein bekannter türkischer Unternehmer stellte mal lapidar fest: „Mein türkisches Stammlokal ist der einzige Ort in der Stadt, an dem ich nicht ,der Türke‘ bin, in dem ich mich nicht ständig erklären muss.“ Auch das gehört zum – inzwischen auch preisverdächtigen – Empowerment.
Galten früher – und in vielen Diskursen leider auch heute noch – Themen wie Empowerment oder „Sichere Räume“ noch als gefährliche Hirngespinste, haben sie inzwischen endlich die Bedeutung gewonnen, die ihnen zusteht – und damit sogar einen bedeutenden Integrationspreis gewonnen. Es geht doch noch voran, allen pessimistischen Prognosen zum Trotz.
Ihr Sami Aras
Vorstandsvorsitzender des Forums der Kulturen Stuttgart e. V.
Verena StröbeleverenaProfil bearbeiten
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