Monatsmagazin

Aktuelle Ausgabe Mai 2024

Liebe Leser*innen,

gerade in schwierigen Zeiten mit aufgeheizten Debatten voller Stigmatisierungen und Ausgrenzungen sind Aus tausch, Dialog und Begegnung wichtiger denn je. Im unmittelbaren Zusammensein, im Gespräch, in der gemeinsamen Aktion kommen sich Menschen näher, deren Regierungen, Ideolog*innen oder Religionsvorstehende sich im größten Streit, wenn nicht gar im Krieg miteinander befinden.

Doch durch Begegnung können nicht nur Vorurteile und Ressentiments überwunden werden, es entsteht meist auch etwas Neues. „Kulturen bekämpfen sich nicht – sie fließen zusammen“ titelte Ilja Trojanow einst sein Buch „Kampfabsage“. Die Kreativität, das inspirierend Neue, das wir erleben, wenn unterschiedliche kulturelle Ausdrucksformen aufeinandertreffen, macht die Faszination einer jeden inter- oder transkulturellen Produktion aus.

Damit es zu solchen Begegnungen, zu solchen Koproduktionen kommt, braucht es Räume: Freiräume, ein offenes, freies Denken, aber auch reale Räume, in denen selbstbestimmt und selbstbewusst alle zusammenkommen und zusammenarbeiten können, die offen sind für Neue und Neues, die an anderen Orten aber auch nicht selten ausgegrenzt, stigmatisiert oder bevormundet werden.

All dies sind gute Gründe für ein Haus der Kulturen, wie es sich das Forum der Kulturen schon seit seiner Gründung vor über 25 Jahren wünscht. Inzwischen sind wir diesem Ziel schon sehr nahe gekommen. Der Gemeinderat hat sich eindeutig dafür ausgesprochen und die Abteilung Integration der Stadt Stuttgart mit den Planungen und Vorarbeiten für ein solches Haus beauftragt. Und auch die Bürgermeisterin für Soziales und gesellschaftliche Integration, Frau Dr. Sußmann, hat auf dem Frühjahrsempfang des Forums der Kulturen hierzu deutliche Worte gefunden.

Der Gemeinderat hat auch Mittel bewilligt, um in den nächsten Jahren schon einmal austesten zu können, was in einem solchen Haus alles geschehen könnte, wie die Entscheidungsprozesse und Strukturen, vor allem aber wie das Programm eines solchen Hauses aussehen könnte. Mitarbeiter*innen eines solchen „Projekt-Labors“ stehen schon bereit, darunter auch ein Kollege aus dem Forum der Kulturen.

Und es schaut auch so aus, als ob bereits ein passendes Haus gefunden wäre – kurzfristig für das Projektlabor und später dann für das eigentliche Haus der Kulturen: das seit Februar leerstehende Gebäude der ehemaligen Galeria Kaufhof – ein Gebäude, das sich inzwischen auch im Besitz der Stadt befindet.

Doch noch ist das Gebäude nicht freigegeben für das dringend benötigte Projektlabor. Noch prüfen die zuständigen Fachämter der Stadt, ob das Gebäude, in dem bis Ende Januar noch Tausende von Besucher*innen ihre Einkäufe getätigt haben, einen Teil des Hauses freigeben kann für eine temporäre Nutzung durch diesen Vorläufer eines künftigen Hauses der Kulturen – und natürlich auch für andere Interessierte, die ebenfalls darum bemüht sind, dass dieser Teil der Eberhardstraße nicht verödet.

Ein möglichst rascher Start einer zumindest provisorischen Zwischennutzung ist zwingend erforderlich. Neben bautechnischer Sorgfalt wird hier auch dringend mehr Flexibilität seitens der Verwaltung erforderlich sein – im Sinne einer lebendigen Innenstadt, aber auch einer Stärkung des Miteinanders.

Rolf Graser
Geschäftsführer des Forums der Kulturen Stuttgart e. V.

(Ältere Ausgaben des Monatsmagazins stehen hier zum Download zur Verfügung.)